Harmonie auf der Weide?

Zu den verwahrungsvertraglichen Pflichten des Tierpensionsbetreibers

Pferd auf der Weide - Pflichten des Pensionsbetreibers

Immer wieder kommt es zu schweren Verletzungen von Tieren, insbes. von Pferden, die in einer Herde auf einer Weide gehalten werden. Oftmals stecken Rangordnungskämpfe dahinter. Mobbing ist auch unter Tieren bekannt. Doch wer muss rechtlich dafür einstehen?

Wird ein Tier in eine Pension gegeben, stellt dies rechtlich in der Regel eine Verwahrung dar. Der Pensionsbetreiber muss sich um das Tier sorgen und sämtliche Gefahren beseitigen. Verstößt er hiergegen, macht er sich schadensersatzpflichtig.

Rechtliche Einordnung des Tierpensionsvertrags

Wird ein Weidetier wie z.B. ein Pferd, ein Rind oder ein Schaf o.ä. in „Pension“ gegeben, spricht man von einem „Tierpensionsvertrag“, „Viehgräsungsvertrag“ oder „Weideviehvertrag“. Der Tierbesitzer und der Pensionsbetreiber schließen einen Vertrag. Dieser umfasst, dass das Tier untergestellt, gefüttert und versorgt wird. Der Tierbesitzer zahlt im Gegenzug ein Entgelt (sogenanntes „Grasgeld“). Zwar ist diese Vertragsart landläufig bekannt, die juristische Einordnung jedoch schwierig. Bereits in den 2000 er Jahren haben das LG Münster (Urteil vom 09.01.2004 -14 O 510/03-) und das OLG Hamm (Urteil vom 13.05.2004 -24 U 22/04-) entschieden, dass es sich bei diesem Vertrag um einen Verwahrungsvertrag nach § 688 BGB handelt. Die Pflicht des Verwahrers (sprich des Pensions-betreibers) sei es, dass das Tier dem Eigentümer unbeschadet zurückgegeben werden muss. Dazu muss das Tier auch gefüttert und ordnungsgemäß untergebracht werden. Der Bundesgerichtshof (als oberstes Zivilgericht) hat sich bis heute in dieser Frage nicht endgültig entschieden. So schaut er in ständiger Rechtsprechung auf den Schwerpunkt des Vertrages (Beschluss vom 21.04.2005 -III ZR 293/04-; BGH, Urteil vom 12.02.2020 – XII ZR 61/19). Liegt der Schwerpunkt eher bei der Unterstel-lung des Tieres, so liegt ein Tierpensionsvertrag vor, auf den das Verwahrungsrecht Anwendung findet. In der jüngsten Entscheidung vom 16. Februar 2021 hat das OLG Brandenburg (Az.: 3 U 6/17) diese rechtliche Einordnung eines Verwahrungsvertrags gemäß § 688 BGB bestätigt und festgestellt, dass der Pensionsbetreiber die Pflicht zur Übernahme und Fürsorge und Obhut für das Lebewesen trägt. Also ist der Pensionsbetreiber verantwortlich. Aber welche Konsequenzen folgen daraus für die Praxis?

Pflichten des Tierpensionsvertrags

§ 688 BGB bestimmt: Durch den Verwahrungsvertrag wird der Verwahrer (=Pensionsbetreiber) verpflichtet, eine ihm von dem Hinterleger (=Tiereigentümer) übergebene bewegliche Sache aufzubewahren. Man möchte ein Tier zwar nicht als Sache betrachten, rechtlich werden sie jedoch wie Sachen behandelt (§ 90a BGB). § 688 BGB allein sagt nichts über den Zustand und die Beschaffenheit der Verwahrung des Tieres aus. Hier wird allein die Kernpflicht des Verwahrers festgelegt. Dieser muss das Tier aufbewahren, wie gesagt das Tier – fremdes Eigentum - in seine Obhut nehmen. Der Pensionsbetreiber ist verpflichtet, das Tier im ordnungsgemäßen Zustand zurückzugeben. Ansonsten macht er sich ggf. schadensersatzpflichtig (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 23.03.2000 -5 U 73/97-). Der Verwahrer kann sich jedoch dieser Haftung entgegenstellen. Dies ist möglich, wenn er beweisen kann, dass ihn keine Schuld an der Beeinträchtigung des Tieres trifft (OLG Oldenburg, Urteil vom 04.01.2011 -12 U 91/10-). Obhuts-pflichten bedeuten, dass der Verwahrer alle ihm zumutbaren Maßnahmen ergreifen muss, um Schäden an der Sache zu vermeiden. Dieser Begriff ist sehr weit zu verstehen. Die Rechtsprechung stellt im Rahmen dieser Vertragsart hohe Anforderungen. So reicht es nicht aus, dass das Tier nur einmal pro Tag kontrolliert wird, sondern dass es (im Normalfall) mindestens alle drei bis vier Stunden kontrolliert werden muss (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 16.01.2021 -3 U 6/17-, Rn. 36, 40). Ist das Tier erkrankt, muss es im Einzelfall noch öfter besichtigt werden.  Wer sich als Pensionsbetreiber ausgibt, muss keine Ausbildung oder ähnliche Qualifikation haben. Den-noch wird erwartet, dass man sich mit den Regeln der Viehintegration auskennt. Denn das Tier wird und soll meist nicht allein auf einer Koppel stehen, sondern mit anderen vergleichbaren Tieren in einer Herde sich die Weide teilen. Es liegt in der Natur der Tiere, dass diese nicht immer „friedvoll“ miteinander umgehen. Bei Hühnern gibt es eine Hackordnung, bei Pferden eine Rangordnung. Damit muss sich der Pensionsbetreiber auseinandersetzen.

In der (pferderechtlichen) Praxis haben sich Anforderungen und Ratschläge herausgebildet, damit sich das Tier gut in die Herde integrieren kann. Im Folgenden sind dies vor allem:

  1. Das Tier soll in eine bestehende Herde integriert werden. Diese Integration fällt dann leichter, wenn die Herde stabil ist. Ist die Herde unter sich bereits zerrüttet, sollte eine Integration eines weiteren Tieres gut überlegt werden.
  2. Das Tier soll ruhig ankommen. Der Transport und die Umsiedlung verursachen bei dem Tier einen immensen Stress. Für das Tier ist ein separater Integrationsbereich angebracht. In diesem kann sich das Pferd o.ä. erst einmal auf sich konzentrieren und sich sammeln. Es ist falsch zu glauben, dass diese Umgewöhnung innerhalb von ein paar Tagen abgeklungen sei. Aus der Praxis empfiehlt sich eine Eingewöhnungsphase von mindestens drei Wochen.
  3. Ist die Gewöhnungszeit gut abgelaufen sollte das Tier langsam und vorsichtig den anderen Tieren vorgestellt und integriert werden. So empfehlen gerichtliche Sachverständige, dass das Tier zwar auf die gleiche Weide wie die Herde gestellt wird, aber separat eingezäunt werden muss (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 16. Februar 2021 – 3 U 6/17 –, Rn. 38). So können sich die Tiere Blickkontakt aufnehmen, sich beschnuppern und bekannt machen, ohne aufeinander loszugehen. Eine Direktintegration eines Fohlens in eine altersgemischte Herde wurde als grob fahrlässig eingestuft (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 16.01.2021 -3 U 6/17-, Rn. 37)
  4. Es empfiehlt sich, dass den Tieren mehrere Futterstellen angeboten werden. Wenn die Tiere von der Koppel in den Stall geführt werden, sollte allen Tieren die Möglichkeit geboten werden, dass diese Futter fassen können. Denn auch hier wird gerne die Rangordnung unter den Tieren „geklärt“, d.h. ausgeübt.

Der Pensionsbetreiber muss diese Anforderungen berücksichtigen. Denn diese stellen die o.g. Obhutspflichten dar, für die ein Pensionsbetreiber einzustehen hat, um einem Verletzungsrisiko entgegenzutreten. Im Rahmen dieser Anforderungen ist die Rechtsprechung rigoros und bejaht eine Haftung. Des Weiteren ist der Pensionsbetreiber verpflichtet, sämtliche Ereignisse wie z.B. eine Erkrankung unverzüglich gemäß § 692 BGB zu melden (OLG Schleswig, Urteil vom 23.03.2000 - 5 U 73/97) und regelmäßig die Umzäunung der Weide zu überprüfen und in Stand zuhalten (OLG Hamm, Urteil vom 15.05.2004 – 24 U 22/04 -, Rn 13).

Rechtliches Vorgehen im Schadensfall

Im Streitfall könnte der Tierhalterwegen der Verletzung seines Tieres einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 280 Abs. 1 BGB geltend machen. Die Grundlage für diesen Anspruch bildet der Tierpensionsvertrag zwischen Tierhalter und Pensionsbetreiber. Für den Erfolg einer Klage ist entscheidend, ob dem Pensionsbetreiber ein Verschulden hinsichtlich des Schadens am Tier, also eine Verletzung seiner Pflichten, vorgeworfen werden kann. Dabei muss der Tierhalterfür darlegen und beweisen, dass der Pensionsbetreiber seine Pflichten verletzt hat und das Tier dadurch verletzt wurde (BGH, Urteil vom 22.10.2008 - XII ZR 148/06; OLG Frankfurt, Urteil vom 14.09.2017 -15 U 21/16- Rn. 16). Folgendes Beispiel: Ein Pferd hat eine Verletzung am Huf. Ein Zeuge kann bestätigen, dass die Verletzung durch einen Nageltritt in der Box entstanden ist. Die Pflicht hat der Verwahrer dann verletzt, wenn er zu diesem Zeitpunkt die Box nicht ordnungsgemäß gereinigt hat. Für den Tierhalter ist es also bedeutsam, genau darzulegen, wie der Schaden entstanden ist. Und: War dies im Herrschaftsbereich des Pensionsbetreibers? Zudem müssen Sie dies eindeutig beweisen können durch z.B. Zeugen oder Sachverständige. Einzelabsprachen mit dem Pensionsbetreiber, wie etwa zur Integration eines Pferdes in eine Herde, sollten zu ihrer Beweisbarkeit immer schriftlich festgehalten werden.Um sich diesen Anspruch sich zu entziehen, muss der Pensionsbetreiber darlegen und beweisen, dass ihn im konkreten Fall keine Schuld vorzuwerfen ist. Also im Beispiel, dass er z.B. ein Protokoll vorlegt, aus dem hervorgeht, dass zum Zeitpunkt die Box gereinigt wurde. Die Rechtsprechung verlangt weiterhin, dass in seinem gesamten (Gefahren-) Bereich generell keine Ursache liegen darf. (BGH, Urteil vom 12.01.2017 -III ZR 4/16-; BGH, Urteil vom 05.10.2016 -VII ZR 50/14). Dies würde in dem Beispiel bedeuten, dass er beweisen kann, dass das gesamte Gestüt regelmäßig gereinigt wird und er dies beweisen kann.

Der Beitrag enstand unter Mitwirkung von Herrn stud. iur. Raphael Kühl.

Als Rechtsanwältin im Pferderecht vertritt Dr. Hella Fischer Pferdehalter, Reiter, Einsteller oder Reitstallbetreiber, u.a. mit besonderem Fokus auf das Pferdekaufrecht. Lesen Sie mehr zur vertraglichen Einordnung und Kündigung von „Pferdepensionsverträgen“.

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