In dem vom BGH entschiedenen Fall hat das Gericht Maßstäbe entwickelt, ab wann man ein Pferd als „gebraucht“ und somit nicht mehr als „neu“ ansehen kann. Zudem hat das Gericht die vereinbarte Verkürzung der Verjährungsfrist für wirksam erklärt.
Fall und Urteil "Pferdekauf / Bewertung alt-neu" in der Zusammenfassung
- Als „gebraucht“ ist ein Pferd dann anzusehen, wenn es bereits einen längeren Zeitraum von der Mutter getrennt ist und somit eine eigenständige Entwicklung, insbesondere den Prozess der Geschlechtsreife, vollzogen hat. Dadurch ist das Pferd von äußeren Einwirkungen betroffen, was zur Erhöhung des Sachmängelrisikos führt.
- Eine Klausel, die die gesetzliche Verjährungsfrist verkürzt, ist wirksam, wenn sie grundsätzlich die Verjährung von Gewährleistungsrechten auf drei Monate nach Gefahrübergang verkürzt, aber die Haftung bei Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit und bei grobem Verschulden ausdrücklich nicht erfasst.
Fall: Klägerin begehrt Rückzahlung nach Pferdekauf
Die Klägerin, eine Amateur-Dressurreiterin, kaufte vom Beklagten ein Pferd bei einer Auktion zum Kaufpreis von 25.678,32€. Im Zeitpunkt des Kaufs lagen beim Pferd „Kissing Spines“ sowie eine Verkalkung im Nackenband vor. Deshalb begehrt die Klägerin die Rückzahlung des Kaufpreises.
Tenor: Keine Rückabwicklung des Kaufvertrages
Die Revision wurde zurückgewiesen. Die Käuferin scheiterte damit mit ihrem Begehren auf Rückabwicklung des Kaufvertrags.
Nachfolgend einige Bemerkungen zu den beiden Hauptpunkten des BGH-Urteils
1. Bewertung eines Pferdes als nicht mehr „neu“
Dieser erste Punkt wirkt auf den ersten Blick befremdlich. Stellt dieser Ansatz doch ein Lebewesen mit einer Sache gewissermaßen gleich. Dies lässt sich jedoch nachvollziehen, wenn man sich zunächst mit der Frage auseinandersetzt, wie Tiere zivilrechtlich einzuordnen sind.
a. Exkurs: Tiere und Sachvorschriften
Gem. § 90 BGB sind Sachen nur körperliche Gegenstände. Damit stellen Tiere als Lebewesen gerade keine Sache dar, was auch § 90a S. 1 BGB bestätigt. Vielmehr verdienen sie besonderen Schutz, vgl. § 90a S. 2 BGB. Jedoch werden die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend angewendet, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist, § 90a S. 3 BGB. Das bedeutet, dass zunächst alle Vorschriften hinsichtlich Sachen auch auf Tiere Anwendung finden.
Hintergrund ist, dass dem Juristen sonst keine Möglichkeit verbleibt, Tiere zivilrechtlich zu erfassen. Gerade beim Kauf von Tieren verhält es sich ähnlich wie beim Kauf von Sachen, sodass kein Bedarf besteht, diesbezüglich andere gesetzliche Regelungen zu treffen. Eher ist es so, dass ggf. anderweitige gesetzliche Regelungen bestehen, wie etwa bei der Geburt eines Fohlens, vgl. §§ 99, 953 BGB.
b. Bewertung als nicht mehr „neu“
Die Parteien hatten vorliegend einen Verbrauchsgüterkauf geschlossen, § 474 I 1 BGB. Dessen besondere Regelungen zum Verbraucherschutz finden sich nach § 474 II 2 BGB allerdings dann keine Anwendung, wenn eine neue Sache in einer öffentlichen Versteigerung verkauft wurde, an der der Verbraucher persönlich teilnehmen konnte.
Problematisch ist also allein das Merkmal „neu“ im Rahmen von § 474 II 2 BGB. Die Bewertung dessen steht hierbei im Gegensatz zu der Bewertung „gebraucht“. Daher stellt sich die Frage, unter welchen Umständen ein Pferd als „gebraucht“ anzusehen ist.
Zunächst stellt der BGH auf den allgemeinen Sprachgebrauch ab. Dazu verhelfen Synonyme wie „nicht mehr frisch“ oder „abgenutzt“ aus dem Duden.[1] Dies verdeutlicht, dass eine „neue“ Sache gerade nicht „gebraucht“ sein kann.
Der BGH ermittelt den Sinn und Zweck des Gesetzes (sog. teleologische Auslegung). Danach soll dem Verkäufer insbesondere bei „gebrauchten“ Sachen die Haftung erleichtert werden. Hintergrund ist, dass an „gebrauchten“ Sachen im Vergleich zu „neuen“ Sachen ein viel höheres Sachmängelrisikohaftet[2] und der Verkäufer vor einer erhöhten Gefahr der Inanspruchnahme geschützt werden soll.[3]
Auch bezieht der BGH die gesetzgeberische Motivation in seine Überlegungen mit ein (sog. historische Auslegung). Der Gesetzgeber erkennt Tiere dann als „neu“ an, wenn diese auch „jung“ sind.[4] Danach können Tiere, die noch nicht als Nutztiere und mit keiner bestimmten Verwendung verknüpft sind, auch als „gebraucht“ angesehen werden. Damit steigert sich wiederum das Sachmängelrisiko.
Der BGH erwähnt mehrfach das erhöhte Sachmängelrisiko. Allgemein ist hiermit die gesteigerte Gefahr gemeint, durch die sich eine Sache von ihrer ursprünglichen Beschaffenheit zulasten des Käufers verändert. Das Besondere an Tieren ist hierbei, dass diese sich in ihrer Eigenschaft als Lebewesen ständig selbst „gebrauchen“, indem sie leben und sich bewegen.[5]
Unter diesen äußeren Einwirkungen fallen die natürlichen Gegebenheiten des Tieres (Anlagen, Alter) sowie seine Haltung (Ernährung, Pflege, Belastung).[6] Dazu kommt die ständige Entwicklung und Veränderung ihrer körperlichen und gesundheitlichen Verfassung als innere Einwirkung.
Insbesondere benennt und betont der BGH den Prozess der Geschlechtsreife bei Hengsten, der zu triebgesteuerten und somit unberechenbaren Verhalten führt.[7] Damit wird besonders das Sachmängelrisiko erhöht. Ein abgesetztes Pferd ist im Vergleich zu einem Fohlen, das noch nicht von der Mutter getrennt worden ist, nicht entsprechend vor äußeren Einwirkungen geschützt und trägt damit ein höheres Sachmängelrisiko.
Es reicht jedoch nicht der Umstand, dass die Geburt des Tieres einige Wochen oder Monate her ist, um es als gebraucht anzusehen.[8] Die Besonderheit bei Pferden ist, dass diese vergleichsweise spät nach ihrer Geburt einer bestimmten Verwendung zugeführt werden; gleichsam sind sie aber bis dahin von den genannten Einwirkungen weiterhin betroffen.[9] Es ist daher immer eine Frage des Einzelfalls.
Somit sind Pferde besonders anfällig für die Annahme eines erhöhten Sachmängelrisikos. Vorliegend war der Hengst knapp zweieinhalb Jahre alt und war zum Zeitpunkt der Auktion weder geritten noch angeritten. Er litt aber dennoch bereits an „Kissing Spines“ und einer Verkalkung im Nackenband. Deshalb hat sich für den BGH das erhöhte Sachmängelrisiko bereits verwirklicht und der Hengst konnte nicht mehr als „neu“ angesehen werden.[10]
Fazit
Ein Pferd ist als „gebraucht“ anzusehen, wenn es bereits einen längeren Zeitraum von der Mutter getrennt ist und somit eine eigenständige Entwicklung, insbesondere den Prozess der Geschlechtsreife, vollzogen hat. Dadurch ist das Pferd von äußeren Einwirkungen betroffen. Dies führt zur Erhöhung des Sachmängelrisikos, das einen Schutz der Interessen des Käufers im Verbrauchsgüterkauf einschränkt.
2. Wirksamkeit einer Klausel über die Abkürzung der gesetzlichen Verjährungsfrist auf drei Monate
In dem vorliegenden Fall hat der Verkäufer mit der Käuferin mittels einer Klausel vereinbart, die Verjährung auf drei Monate nach Gefahrübergang zu verkürzen. Von dieser Befristung sollten nach der Klausel Ansprüche ausgeschlossen sein, die auf Ersatz eines Körper- und Gesundheitsschadens wegen eines vom Verkäufer zu vertretenden Mangels gerichtet sind oder auf grobes Verschulden des Verkäufers oder seiner Erfüllungsgehilfen gestützt werden.
Grundsätzlich ist es von rechtlicher Seite her möglich, die Verjährung von Gewährleistungs-ansprüchen auf drei Monaten nach Gefahrübergang zu verkürzen. Es bestehen dann rechtliche Bedenken, wenn dadurch eine AGB-Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB oder der Schutz des Verbrauchsgüterrechts nach §§ 474 ff. BGB unterlaufen wird. Interessant ist es daher sowohl für den Verkäufer als auch für den Käufer einer Auktion, inwieweit eine solche Klausel Wirksamkeit entfaltet.
a. Standhalten der Klausel im Rahmen einer AGB-Kontrolle, §§ 305 ff. BGB
Vorliegend haben die Parteien Allgemeine Geschäftsbedingungen vereinbart, § 305 I 1, 3 BGB.
Fraglich ist daher, inwieweit die Klausel der AGB-Kontrolle nach den §§ 307 ff. BGB standhält. Danach darf kein Verstoß gegen ein Klauselverbot vorliegen.
Wichtig ist hierbei – insbesondere für den Verkäufer – dass Klauseln unwirksam sind, wenn die Haftung bei Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit und bei grobem Verschulden ausgeschlossen wird, § 309 Nr. 7 BGB. Im vorliegenden Fall wurde aber ausdrücklich diese Haftung nicht ausgeschlossen, sodass hierin kein Verstoß zu sehen ist.
Zudem gilt ein Verbot der Verjährungsverkürzung bei „neu hergestellten“ Sachen, § 309 Nr. 8 lit. b lit. ff BGB. Auch kann die Einordnung des Pferdes als nicht mehr „neu“ auf das Klauselverbot übertragen werden.[11] Diese Vorschrift ist auch auf Tiere anwendbar.[12]
Wie aber bereits festgestellt, ist das Pferd als „gebraucht“ und eben nicht als „neu“ bzw. „neu hergestellt“ einzuordnen. Somit greift in dem vorliegenden Fall dieses Verbot auch nicht.
Wichtig für den Verkäufer ist es, dass die Klausel nach § 307 I 2 BGB klar und verständlich formuliert wurde (sog. Transparenzgebot). Vorliegend ist die Klausel eindeutig: Grundsätzlich wird die Verjährung auf drei Monate nach Gefahrübergang verkürzt, wovon die Haftung bei Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit und bei grobem Verschulden ausgeschlossen ist. Mithin liegt kein Verstoß gegen das Transparenzgebot vor.
Auch darf die Klausel nicht den Vertragspartner entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen, § 307 I 2 BGB. Dies ist dann zu bejahen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne dessen Belange zunächst hinreichend zu berücksichtigen und u. U. auszugleichen.[13] Hier hat die Klägerin weiterhin die Möglichkeit, Gewährleistungsansprüche geltend zu machen. Hieran hinderte sie die Verjährungsverkürzung nicht in unangemessener Weise. Somit greift auch dieses Verbot nicht.
Insbesondere gilt bei einem Verbrauchsgüterkauf, dass die den Vertragsschluss begleitenden Umstände nach § 310 III Nr. 3 BGB zu berücksichtigen sind. Hier hatte der Beklagte das Pferd nicht als Eigentümer, sondern als Kommissionär verkauft. Gem. § 383 I BGB gilt dies, wenn der Erwerber gewerbsmäßig Sachen für Rechnung eines anderen verkauft. Daher sind ihm eventuell vorhandene verdeckte Mängel typischerweise unbekannt.[14] Hinzu kommt, dass der Käufer im Vorfeld der Auktion entsprechende Informationen erlangen kann.[15] Wenn er ohne jegliche Informationen das Pferd kauft, dann muss er das entsprechende Risiko tragen.
Zwar war das Pferd noch nicht alt genug, um mit der Reitausbildung zu beginnen, sodass Mängel erst später als drei Monate nach Gefahrübergang sichtbar wurden. Der Käufer hatte aber die Möglichkeit, nach der Übergabe des Pferdes in Verhandlungen mit dem Verkäufer zu treten (§ 203 BGB) oder ein selbstständiges Beweisverfahren einzuleiten (§ 204 I Nr. 7 BGB). Dadurch wird die Verjährung gehemmt und der Umstand abgemildert.[16]
Damit hält die Klausel der AGB-Kontrolle stand.
b. Kein Verstoß gegen Verbrauchsgüterrecht, § 474 I 1, II 2 BGB
Zwar liegt hier ein Verbrauchsgüterkauf nach § 474 I 1 BGB vor. Jedoch greift kein besonderer Schutz nach § 474 II 2 BGB ein, da eine „gebrauchte“ Sache im Rahmen einer öffentlichen Versteigerung verkauft wurde. Hiermit wollte der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung tragen, dass bei öffentlichen Versteigerungen ein anderes Risiko herrscht und sich der Käufer bewusst darauf einlässt. Damit liegt in der Klausel auch kein Verstoß gegen das Verbrauchsgüterrecht vor.
Fazit
Eine Klausel ist wirksam, wenn sie grundsätzlich die Verjährung von Gewährleistungsrechten auf drei Monate nach Gefahrübergang verkürzt, die Haftung bei Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit und bei grobem Verschulden jedoch ausdrücklich nicht erfasst.
Als Rechtsanwältin im Pferderecht vertritt die Autorin Dr. Hella Fischer Pferdehalter, Reiter, Einsteller oder Reitstallbetreiber. Dieser Beitrag ist unter Mitwirkung von Frau Gasal Ahmad, geprüfte Rechtskandidatin, entstanden.
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[1]https://www.duden.de/rechtschreibung/gebraucht_gebrauchen mit dem Stand vom 26.02.2020.
[2] vgl. dazu Bezugnahme auf die Senatsentscheidung vom 3. Juli 1985 – VIII ZR 152/84, aaO; BT-Drucks. 14/6040, S. 245.
[3] Brückner/Böhme, MDR 2002, 1406, 1407; BeckOGK-BGB/Augenhofer, Stand: 1. Juli 2019, § 474 Rn. 99.
[4] BT-Drucks. 14/6040, S. 245 unter Verweis auf LG Aschaffenburg, NJW 1990, 915.
[5] so auch Adamczuk, Pferdekaufrecht, 2008, S. 140.
[6] vgl. Senatsurteil vom 29. März 2006 – VIII ZR 173/05, BGHZ 167, 40 Rn. 27, 24.
[7] BGH, Urteil vom 09.10.19 – VIII ZR 240/18-juris, Rn, 47.
[8] Senatsurteil vom 15. November 2006, VIII ZR 3/06, aaO Rn. 28 ff.
[9] vgl. Dauner-Lieb/Langen/Büdenbender, BGB, 3. Auflage, § 474 Rn. 18.
[10] BGH, Urteil vom 09.10.19 – VIII ZR 240/18-juris, Rn, 37.
[11] BT-Drucks. 14/4060, S. 245, S. 157 f.; vgl. auch Senatsurteil vom 15. November 2006 – VIII ZR 3/06 aaO Rn. 30.
[12] Senatsurteil vom 3. Juli 1985 – VIII ZR152/84, aaO; BT-Drucks. 14/4060, S. 245 [jeweils zu § 11 Nr. 10 AGBGB].
[13] St. Rspr; vgl. Senatsurteil vom 8. November 2018 – VIII ZR 13/17, BGHZ 217, 1 Rn. 21 mwN.
[14] Vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 15. Januar 1975 – VIII ZR 80/73, BGHZ 63, 369, S. 374 f. [jeweils zum Kunsthandel].
[15]http://equi.auction/de/home/ mit dem Stand vom 26.02.2020.
[16] Vgl. Urteil des BGH vom 09.10.19 – VIII ZR 240/18-juris, Rn. 63.